Freitag, 26. Juni 2015

Teile und Tasche.

Ich realisierte meinen Tod, als ich die Straße entlang ging. Gleichzeitig spürte ich, dass ich nichts über mich wusste und die Straße das Geheimnis meiner Vergangenheit wahrte. In der Hoffnung etwas in meinen Hosentaschen zu finden, griff ich mit meiner Hand hinein. Meine Finger erfassten etwas und zogen es vorsichtig hinaus. Ich hatte ein Herz gefunden. Ein kleines pochendes Herz. Mein Blick durchschweifte meine nähere Umgebung, aber ich konnte niemanden sehen, der Anspruch auf dieses Herz erheben würde. Meine Füße wollten weiter und so ging ich den Weg entlang. Es knirschte unter meinen nackten Sohlen. Ein Baum schlich sich in mein Blickfeld und kam immer näher. Ich konnte erkennen, dass er durch mein Salzwasser ertrunken ist. Mein Salzwasser? Intuitiv wusste ich, dass ich Schuld gewesen bin.
Ich brauchte Buchstaben. Wörter. Sätze.

Donnerstag, 25. Juni 2015

Ein typischer WG-Abend.

Ich hatte immer eine romantische, naive Vorstellung des WG-Lebens. Seit knapp drei Monaten teile ich mir eine Wohnung mit einem angehenden Wirtschaftsinformatiker, einer angehenden Psychologin und einer angehenden Neurobiologin. Dann bin da noch ich: die angehende Soziologin.
Von Sauberkeit und Ordnung hält keiner so wirklich was. Viel lieber sitzen wir am Esstisch in der Küche, ignorieren gekonnt das dreckige Geschirr, welches sich gefährlich stapelt und diskutieren über das aktuelle Wirtschaftssystem und die herrschende Politik. Was heißt hier "wir"? Diskutiert wird nur vom Wirtschaftsinformatiker und mir. Wir beide vertreten absolut gegensätzliche Auffassung und die meisten Diskussionen enden mit der Erkenntnis, dass das jeweilige Gegenüber ein realitätsfremder Vollidiot ist. Unsere Gespräche werden von der Psychologin analysiert und sie macht uns auf Konflikte aufmerksam, die wohl tief in uns vergraben liegen. Gestört wird unsere gemütliche Runde von der Neurobiologin, die uns alle attestiert, dass wir nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.